## Title: Aufführungsbesprechung Berlin: „Jubelmesse“ (Missa sancta (Nr. 2) G-Dur) von Carl Maria von Weber am 10. September 1827 ## Author: Marx, Adolf Bernhard ## Version: 4.12.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A032905 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Der büßende David von Mozart, Jubelmesse von K. M. v. Weber, aufgeführt in Berlin am 10. September.In Berlin sind Kirchenmusiken so selten, daß man es nicht wagen möchte, an ihrer Unternehmung zu tadeln, wenn nicht zu besorgen wäre, daß das unterrichtete Publikum von gleich unterrichteten Sprechern in Unterhaltungsjournalen vollends irre geleitet, aus Fehlgriffen der Unternehmenden sich in Gleichgültigkeit und Vorurtheilen gegen die ganze Kunstgattung verhärtete. So ist es denn Pflicht, die Besucher der genannten Aufführung ernstlich zu erinnern, daß sie nicht der Gattung der Kirchenmusik zurechnen, was ihnen diesmal unansprechend gewesen sein muß. Leider hat sich zu viel vereinigt, um den Eindruck – mindestens zu schmälern. Die Wahl des mozartschen Oratoriums scheint ihr Motiv blos in der Erwägung gehabt zu haben, daß man dieses Werk hier noch nicht gehört – eine Erwägung, die nur dann einiges Gewicht hätte, wenn zahlreiche Aufführungen geistlicher Werke das hiesige Publikum mit allem Ausgezeichneten bekannt machten, was doch sogar nicht der Fall ist. Wollte man dennoch die Neugier nach einem unbekannten Werke benutzen, warum dann nicht das neueste, Beethovens Messe, wählen zu dessen Aufführung sogar längst schon der vornehmste äußere Anlaß vorhanden ist? Freilich studirt sich „David“ und Webers Messe leichter; aber es wäre doch arg, wenn Berlin sich irgend einem würdigen Unternehmen nicht gewachsen erklärte. Und warum, wenn Beethoven ungeachtet hohen Willens uns versagt wird, nicht eines der vielen ältern Werke wählen, der den Berlinern eben so unbekannt und so weit trefflicher sind, als Mozarts frühe und kühle Arbeit? – Auch Webers Messe hat nur den beliebten neuen Namen vor so vielen tiefern, andachts- und kunst | vollern Werken großer Meister voraus. Oder meint man gar, die hochverdienten zu ehren, wenn man Werke von ihnen hervorzieht, zu denen sie offenbar und geschichtlich nachweislich nur durch äußern Anlaß, nicht durch innern wahren Beruf bestimmt worden? Auch die Aufführung unter Direktion des Herrn Kapellmeisters Seidel war nicht lobenswert; der Chor war in Verhältniß zu den Instrumenten zu schwach, das Tempo fast überall zu langsam und die Präzision und Richtigkeit oft so vernachläßigt, daß einmal sogar Dur und Moll in seltsamem Vereine miteinander gingen. Schade, daß die gute Absicht des Herrn Grafen von Brühl, der die Kirchenmusik veranlaßt hat, nicht nach besserm Rathe ausgeführt worden. Marx.