## Title: Antwort auf den Aufsatz über den Umstand, dass der Oberon von Carl Maria von Weber noch nicht auf Berliner Bühnen gespielt wurde (Teil 1 von 2) ## Author: Dr. H. Lichtenstein ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A031045 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Warum ist der Oberon von Carl Maria von Weber noch nicht zu Berlin zur Aufführung gekommen?(Antwort.)Die Unterzeichneten, als die ältesten hiesigen Freunde des verstorbenen v. Weber und als die Bevollmächtigten seiner Familie für deren hiesige Angelegenheiten haben bis vor wenigen Wochen auch die Unterhandlungen über die letzte Oper dieses Meisters: Oberon, zu führen gehabt. Sie haben dies Geschäft zunächst im Interesse der Erben und in stetem Einverständniß mit ihnen wahrgenommen, sich dabei aber auch bemüht, jede Rücksicht zu beobachten, die ihr freundliches Verhältniß zu den hiesigen Bühnen-Directionen erheischte. Eine dieser Rücksichten bestand darin, daß sie gelegentliche kleine Ausfälle auf ihr Verfahren ganz unbeachtet und unbeantwortet ließen, um eine Verhandlung, die sich auf amtlichem Wege bei aller Verschiedenheit der Ansicht sehr ruhig führen ließ, nicht durch die Oeffentlichkeit zu einem ärgerlichen Streit zu machen. Sie hätten gewünscht, daß es bei solchen leicht zu ertragenden Ausfällen von Seiten halbunterrichteter Beurtheiler geblieben und nicht zu so lauter Anklage gekommen wäre, als Nr. 1 des Januarheftes dieses Blattes enthält, indem darin geradezu behauptet wird, die Unterzeichneten seien Schuld daran, daß Webers Oberon noch nicht habe gegeben werden können. Obgleich in der Regel nicht viel herauskommt, einen solchen Streit vor den Augen des Publikums zu führen, so nimmt es doch zu vielen Antheil an dem in Frage gestellten Gegenstand, als daß wir uns nicht vor ihm rechtfertigen müßten, zumal da eine verehrliche Redaction d. B. unpartheiisch der Gegenrede Raum gönnt, und es allerdings hier darauf ankommen kann, unserm theuren entschlafenen Freunde die Treue zu bewähren, die wir ihm im Leben vielfach gelobt haben. Vielleicht auch, so denken wir, kann es dazu beitragen, die um den Besitz des Werkes streitenden Partheien zu befriedigen und die erhitzten Vorfechter etwas abzukühlen, wenn wir, die wir nie eine der beiden beleidigt, aber auch nie einer vor der andern den Vorzug gegeben, sondern die wir nur unsern Freund und das Beste seiner Kinder vor Augen gehabt haben, ganz ohne Leidenschaft und ohne Aerger über die uns persönlich zugedachte Verunglimpfung, freimüthig erzählen, wie sich die Sache zugetragen hat, und wie sie auf den schwierigen Punkt gekommen ist, wo sie jetzt steht. Dies kann freilich nicht erschöpfend geschehen, denn wir hätten sonst eine Relation aus voluminösen Acten zu liefern, aber auch einzelne Thatsachen in einem gewissen Zusammenhange vorgetragen, werden zur Aufklärung der Sache beitragen, wenn wir durch sie die Angaben unsers ungenannten Anklägers ergänzen. Zunächst ist es wahr, daß der verstorbene v. Weber dem Herrn Grafen v. Brühl den Oberon versprochen, aber nicht von London aus, sondern hier in Berlin, am 28sten December 1825, fast im Augenblick der letzten Abreise, in unsrer Gegenwart, wie wir solches auch auf Verlangen der Direction schriftlich zu bezeugen nicht Anstand genommen haben. Nicht aber | hat er ihn angeboten, sondern wie es unter solchen Freunden nicht anders seyn kann, zugesagt ihn zu geben, wenn ihm ein angemessenes Honorar dafür werde. Schon an demselben Abend kam es zur Sprache, daß die Bestimmung eines solchen im vorliegenden Falle besondre Schwierigkeit haben werde. Was geschehn seyn würde, wenn Weber am Leben geblieben wäre, läßt sich schwerlich errathen. Doch hätte er selbst wahrscheinlich den Preis hochgestellt, da er sehr wohl fühlte, daß ihm kein fernes Lebensziel gesteckt sey, und daß er eilen müsse, den spät gewonnenen Ruhm für seine Familie zu nutzen. Auch hatte er eben keine Ursache, sich der Direction zu besonderen Leistungen für verpflichtet zu halten. Denn das persönliche höchst angenehme Verhältnis Webers und seiner Familie zu dem Herrn General-Intendanten darf nicht, wie es Herr C. S. thut, mit dem amtlichen verwechselt werden, in welchem sich die Direction zu ihnen befand und noch befindet. Die Nachricht von seinem Tode erweckte, wie in ganz Deutschland, so auch bei den hier anwesenden Mitgliedern der Direction (der Herr General-Intendant war verreist) die lebhafteste Theilnahme an dem Schicksal seiner Hinterbliebenen und auf eine höchst dankenswerthe Weise erklärte sich dieselbe gegen die Unterzeichneten bereit, eine Benefiz-Vorstellung zu deren Besten zu veranstalten, und für das letzte Werk ein möglichst hohes Honorar zu erwirken, wobei gleich damals von 800 Thalern als einer Summe, die sich in diesem Falle wohl werde rechtfertigen lassen, die Rede war. Die Benefiz-Vorstellung des Freischütz fand fünf Monate nach dem Tode des Componisten Statt, und brachte allerdings 2000 Thaler, ja wohl noch darüber, aber dies nicht auf Kosten der Theater-Kasse, indem großmüthige Geschenke unsers Königs, der Prinzen und des Königlichen Hauses und wohlhabender Freunde des Verstorbenen die Einnahme des vollen Hauses bis zu diesem Ertrage steigerten *)*) Von Seiten der Direction war an diesem Tage nichts geschehn, was die Vorstellung hätte feierlicher und kostbarer machen können. Nur freiwillig haben einzelne Mitglieder der Königlichen Bühne ihre Theilnahme an dem Verluste durch ihre Mitwirkung bei diesem Trauerfest zu erkennen gegeben. Der Herr General-Intendant war noch abwesend.. Gleich darauf (im Nov. 1826) erhielten wir die Aufforderung uns über den Preis für den Oberon zu erklären, und zwar von beiden Bühnen gleichzeitig, nachdem das Königstädter Theater bereits im Julius das Werk auf ihr Repertoir genommen hatte, um sich das Recht daran zu sichern. Der Direction des Königlichen Theaters antworteten wir, daß wir hofften, man werde uns den Preis von 800 Thalern zahlen, zu welchem uns bereits die Aussicht eröffnet sey, der andern aber, daß wir mit jener uns schon in Unterhandlung befänden. Erst nach mehreren Monaten (zu Ende Januars) wurden wir darauf beschieden, die Königliche Bühne wolle 500 Thaler zahlen, von einer Mehrzahlung könne aber erst nach der 50sten Vorstellung die Rede seyn, und wolle man sich anheischig machen, alsdann die noch übrigen 300 Thaler zu zahlen. Wenn wir auf diese Proposition damals nicht eingingen, so geschah dies nicht allein der Verpflichtung wegen, die wir gegen die Vormundschaft der Kinder übernommen hatten, und die uns das finanzielle Interesse derselben nicht aus den Augen verlieren hieß, sondern weil uns sehr wohl bekannt war, daß die Direction, verleitet durch erdichtete Nachrichten in einer hiesigen Zeitung von dem Mislingen einer ersten Vorstellung des Oberon in Dresden, ein Mistrauen in den Werth des Werkes gewonnen hatte, das auch schon früher bei Privataufführungen sich unverholen ausgesprochen hatte, und das der wirklichen Darstellung und Ausstattung von Seiten eben dieser Direction nicht anders als sehr nachtheilig werden mußte. Daß wir uns in der obigen Meinung nicht geirrt, beweisen uns die später amtlich mitgetheilten Conferenzprotokolle aus der damaligen Zeit. Auf einem so gefährlichen Punkt für den Ruhm unsers Freundes hätte ein schnelles Zugreifen nach dem dargebotenen Gelde uns nur den Schein geben können, als verzweifelten auch wir an dem Gelingen seines Werkes und als sey es uns mehr um den zeitlichen Gewinn für seine Kinder, der sich bei längerem Zaudern wohl noch mehr vermindern könne, zu thun, als um eine würdige Bekanntwerdung seines Schwanengesanges. Wir baten daher in unsrer Antwort um Erwirkung des einmal besprochenen Honorars und fügten der Wahrheit gemäß hinzu, daß uns die Direction des Königstädter Theaters aufs Neue sehr annehmliche Vorschläge für den Ankauf des Oberon gemacht habe, die wir nicht von der Hand weisen könnten, ohne unsre Pflichten als Bevollmächtigte einer Vormundschaft zu verletzen. Diese Direction war nämlich durch eins ihrer auf Reisen befindlichen Mitglieder, das den ersten Vorstellungen des Oberon in Leipzig beigewohnt hatte, auf das Genaueste von dem Gehalt des Werkes und von seinem Werth für die Königsstädter Bühne in der damaligen Zeit, unterrichtet und suchte von den Bedenken der Königlichen Direction, die ohne | unser Zuthun sehr allgemein bekannt waren, ihren Vortheil zu ziehn, indem sie uns wenige Tage nach jener vorläufigen Proposition und nach unserm oben angeführten Schreiben aufs Bündigste den Kaufpreis von 800 Thalern darbot, doch auch zugleich dabei erklärte, sie wolle dies nicht zum Schein gethan haben, um uns bei der Königlichen Bühne einen besseren Handel zu sichern, sondern sie halte sich nur bis zu einem bestimmten Termin an dieses Gebot gebunden und verlange daher binnen zehn Tagen Entscheidung. Auch hievon gaben wir auf der Stelle der Königlichen Theater-Direction Nachricht, und baten um baldige Ertheilung irgend einer Antwort, widrigenfalls wir annehmen müßten, daß man von dem Ankauf der Oper abstehe. Wir erwarteten, darauf Vorschläge zu irgend einer Ausgleichung zu bekommen, blieben aber ohne Bescheid. Der zehnte Tag kam heran und verstrich, auch der eilfte ging ohne Bescheidung vorüber. (Schluß folgt.)