## Title: Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: „Van Dyks Landleben“ am 12. April 1818 (Teil 1 von 2) ## Author: Kind, Johann Friedrich ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A030253 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Am 12. April. Van Dyks Landleben. Auch diese achte Vorstellung fand ein eben so zahlreiches als aufmerksames Publikum, und machte sich dessen durch das schöne Bestreben sämmtlicher Künstler in jeder Hinsicht werth. Das zwiefache Verdienst Herrn Hellwigs (als Ordner der Ganzen und Van Dyk's) des Herrn Kanows (dem gewiß dießmal bei Stellen, wie: „Soll ich ihn nimmer wieder sehen?“ – – „Wär' er dahin in seiner Jugendschöne, Er, meine Hoffnung?“ manches gefühlvolle Herz mit verdoppelter Rührung entgegenschlug) und der Herren Schirmer, Wilhelmi u. s. w, ingleichen des Fräulein Schubert und unserer, auch in der Rolle des Lenchen unübertrefflichen Schirmer, ist schon früher in diesen Blättern gewürdigt worden. Es bleibt daher nichts übrig, als über die diesmal neu besetzten Rollen, mit Verzweiflung auf das, was über das Verdienstliche der frühern Darsteller fast im Anfange dieser Blätter angeführt worden ist, etwas zu sagen. Als der Dichter dieses niederländische Kunst-Idyll entwarf – denn so dürfte diese Dichtung wohl am treffendsten zu bezeichnen seyn – konnte auch er (versteht sich, ohne weitere Anwendung) von sich sagen: – – „Ein groß, gewaltig Bild Steht vor mir!“ – Denn nicht bloß das nunmehr ausgestellte Gemälde schwebte seiner Phantasie vor, sondern eng mit diesem verbunden, in der Idee von ihm unzertrennbar, noch ein zweites, nämlich – um es eben so kurz zu charakterisiren – ein italienisches Kunst-Epos: Raphael! Wie es ihm daher im Van Dyk darum zu thun war, niederländische Art und Kunst, von einigen Strahlen der italienischen beleuchtet, theils nur anzudeuten, theils zu zeigen, so sollte – oder soll vielleicht, wenn fortdauernde Lust zu dramatischer Dichtung es verlangt, Muse und Muße es gestattet – im Raphael die Herrlichkeit der italienischen Kunst in voller Glorie erscheinen, und die niederländische nur dann und wann ein friedliches Schattenplätzchen darbieten. Sollte diese, vom Dichter seinen Freunden bereits bei Vorlesung des damals noch handschriftlichen Van Dyks*)*) In einem kurzen Prolog, der ehestens in den Hamburger Originalien abgedruckt werden wird. mitgetheilte An sicht, über die Haupt-Idee im Van Dyk vielleicht noch helleres Licht verbreiten, so kann letztere doch auch ohne diese Hinweisung dem aufmerksamen Beurtheiler unmöglich entgangen seyn. Sonach sind Nanni und Paola hier augenscheinlich Repräsentanten des kunstreichen Italiens. Nanni (in Van Dyks Leben keineswegs eine ganz erdichtete Person, denn er war in der That Rubens Freund und Van Dyk reisete mit ihm, als er sich von seinem schönen Landmädchen losgerissen hatte, nach Italien) ein welterfahrner aber edler Mann, ein enthusiastischer Freund und Kenner der Kunst, ein großherziger Beschützer jedes aufstrebenden Talents, aber auch ein feuriger Eiferer gegen jeden, der die Götterflamme in seinem Busen vernachlässigt, übrigens, nach der Weise seines Landes, noch im Alter ein Vulkan unter Schnee, genug, ein Italienischer Protector im vollsten Sinne des Worts – darf, trotz der Verstellung, die er sich aus guter Ansicht gestattet, keinen Augenblick in den Verdacht einer eigennützigen, wohl gar boshaften, Nebenabsicht, oder eines tadelswürdigen Eigenwillens – nämlich tadelswürdig nach seiner Ansicht der Dinge – gerathen. „Beim ew'gen Gott nicht!“ sagt er am Schlusse, „Was ich auch gethan, Das Edle, Beß're hab ich stets gewollt!“ Fast ein Gleiches, nur noch im höherem Grade, gilt von Paola. Diese von Natur und Glück gleich verschwenderisch ausgestattet und im Glanze des Reichthums erzogen, hat mit der leidenschaftlichen Glut ihres Südens geliebt, und, da ihr der Heißgeliebte entrissen ward, ihr Herz mit schwärmerischer Begeisterung zuförderst dem Himmel, sodann – was bei ihr, die einen Künstler liebte, einen Nanni als Vater verehrte, sehr natürlich – der auf Erden weilenden Tochter des Himmels, der Kunst, zugewandt. Im Innern schon halb Religiose, obwohl im Aeußern noch mit dem gewohnten Schmuck ihrer hohen Geburt umgeben, liebreizend, ohne es zu wollen, wenn es zu sagen erlaubt ist, eine Magdalene ohne Sünde auf der Gränze zwischen Welt und Einöde, theilt sie die strenge Ansicht des Oheims nur halb, leiht sich seiner Absicht nur aus Gehorsam, wankt zwischen diesem Gehorsam und wohlwollender Theilnahme an den Liebenden, leidet mit diesen, hofft noch für sie. (Der Beschluß folgt.)