## Title: Aufführungsbesprechung Mannheim: „Pygmalion“ von Georg Benda am 21. November 1811 in Mannheim ## Author: Alexander von Dusch ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A030882 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Mannheim, den 22. Nov. 1811. Theaterbericht. – Donnerstags, den 21sten November: Pygmalion, Monodrama, von J. J. Rousseau. – Nur dem hochfühlenden Bewohner des Alpenlandes, J. J. Rousseau, war es möglich, in die französische Literatur eine so überaus schöne und poetische Idee, wie Pygmalion ist, einzuführen; denn nicht blos war es kein geringes Wagestück überhaupt, dieser Idee einen Körper zu geben, sondern der Verfasser mußte auch noch seiner Schöpfung Eingang zu verschaffen suchen bey einer Nation, deren persiflirender Verstand ihr leicht zur Klippe werden konnte, und welche nur zu oft geneigt ist, den Maßstab des äußern Lebens an die Seele zu legen. Rousseau’s poetischer Sinn, wie kein anderer französischer Schriftsteller ihn beurkundet, stand ihm zur Seite bey dem ersten Wagestück (und welche Mängel man auch der Bearbeitung vorwerfen mag, sie ist die Geburt einer reinen ungekünstelten Begeisterung); sein Ansehen in Frankreich und vielleicht auch das Glück beim zweiten. – Daß Rousseau in einer Sprache schrieb, mehr gemacht, etwas Schönes zu sagen als das Schöne, mehr in Worten des Begriffs als des Gefühls reich, mag hier besonders seinem Geiste mancherley Fesseln angelegt haben, welcher sichtbar zu einer kühnern Diction den Aufflug zu nehmen versuchte; indessen gestaltet sich in seiner Feder die französische Sprache vorzüglich durch die ihm eignen Construktionen und Wendungen bey weitem schöner und poetischer, als bey den übrigen Dichtern, und Rousseau’s Prose ist ergreifender als alle französischen Verse; sie scheint, auf den höhern schweizerischen Boden verpflanzt, ein Mischling geworden, und participirt mehr vom Herzen; was sie an Ründung verliert, gewinnt sie an Kraft. Daher kömmt es denn auch, daß sich seine Sprache leichter treu und wörtlich ins Deutsche übertragen läßt, als z. B. Racine’s zierliche Diction und Anderer. Nicht lange konnte Rousseau’s Pygmalion den Deutschen fremd bleiben, die, wenn gleich zu häufig geneigt, das Schlechte anderer Nationen anzunehmen, auch für das Gute und Schöne desto empfänglicher sind. Einer unserer vorzüglichern Componisten, Benda, benutzte bald diesen für die Tonkunst so reichhaltigen Gegenstand, ein Melodrama daraus zu schaffen, und so ward das Werk gleichsam durch diese musikalische Spezifikation das Eigenthum unserer Nation; – den artistischen Werth dieser Composition zu beurtheilen, überläßt Ref. gerne Andern, und bemerkt blos, daß auf ihn die Musik eine hohe Wirkung machte, mit Ausnahme des Schlusses, welcher ihm vom Componisten ganz falsch aufgefaßt zu seyn scheint. Nirgends ist hier in der Musik der Feuerfunke, den die Götter herabsenden, der Zündschlag des aufgehenden Lebens der Galathee ausgedrückt, nirgends der Sturm des Entzückens von Pygmalion geschildert, und bey einer Szene, wo die Tonkunst alle ihre Geister auf einmal loslassen sollte, hören wir eine ganz ruhige, ja sogar tändelnde Musik, die sich matt verliert. Ja wollte man auch annehmen, der Componist habe die Sache noch von einer höhern Seite angesehen, und durch die Musik die Stille der auf einmal hergestellten Ordnung der Dinge, die sich in die Brust Pygmalions herabsenkende Genesung ausdrücken, das aufgehende Leben wie einen still aufgehenden Tag und Pygmalions höchstes Entzücken als höchste Ruhe darstellen, und so das Ganze in einer himmlischen Verklärung vereinigen wollen, so wäre wenigstens die Ausführung eben so schülerhaft, als die Idee groß und erhaben; denn die Musik trägt hier durchaus nicht das Gepräge einer höhern Phantasie; auf jeden Fall wäre es aber auch gänzlich gegen alle Berechnung theatralischer Effekte, denn ein Entzücken, welches zur Ruhe wird, überschreitet eben das Positive, tritt aus den Grenzen der Erscheinung, und geht eben deshalb für die Bühne verloren. – Auch scheint in theatralischer Hinsicht der Dichter hier am Schlusse nicht wohl gethan zu haben, wenn er die Szene noch nach der Belebung des Steins in die Länge zieht, und die Galathee das Seelenwort Ich wiederholen läßt (freilich in Beziehung auf Pygmalion), worauf dieser nichts als eine matte Phrase erwiedern kann. Mit mehr Erfolg würde das Ganze schließen, wenn unmittelbar nach dem Gebete Pygmalions dieser in Ruhe versänke, und bey seinem Erwachen den Gegenstand seiner Wünsche beseelt erblickte, wo dann ohne Worte die Musik, diese höhere Sprache, das stumme Entzücken verkündete. – Dies führt mich zur hiesigen Darstellung, wovon nur wenige Worte. Die Darstellung des Pygmalion gehört unstreitig unter die höchsten Forderungen, die an den Mimen gemacht werden, und dies mag wohl zum Theil die Schuld tragen, wenn Herr Eßlair heute Ref. nicht die Befriedigung gewährte, mit welcher dieser Künstler in der Regel den Zuschauer erfüllt. Herr Eßlair gab den Pygmalion mit Kraft aber nicht mit Begeisterung; Pygmalions Feuer, das den Körper durchläuft und jede Faser und Muskel bewegt, war in seinem Wesen nicht sichtbar ausgedrückt, und er bewährte aufs neue, daß seine Kunst mehr die eherne einsylbige Kraft der Helden liebt, als die Viel-Beweglichkeit feuriger Phantasten; ohne Zweifel wird er bey wiederholten Darstellungen immer mehr darin leisten. Mlle. Beck als Galathee mußte freilich an einer Klippe scheitern, welche wohl selten ohne Schiffbruch passirt wird. the unknown Man.