## Title: Helmina von Chézy an Amadeus Wendt in Leipzig. Dresden, Freitag, 1. März 1822 ## Author: Chézy, Helmina von ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A047694 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Dresden 1. Merz 1822. Verzeihen Sie, lieber Herr Professor, wenn ich auf ein kl. Bl. schreibe, den Brief an R. nicht zu verdicken. Die Inlage an Fr: Loeben habe ich besorgt. Fr: v. Hohenhausen (wo ist sie jetzt?) ist nicht blos eine vielverheißende, treffliche Dichterin sondern eine reine, herrliche Frau. Ich liebe sie sehr. Wenn Sie ihr schreiben, so bitte ich sehr, ihr meine Gesinnung ausdrücken zu wollen. Seit ich einige der herzzerschneidensten Erfahrungen gemacht, weiß ich es einer Pichler, Huber, Wilh. Willmar, Fr: von Alefeld, Elise Ehrhardt, u wenigen Andern dreifach Dank, daß ihr Gemüth sich durch alle Unnatur, Fegefeuer durch welche es bey schriftstellerischen Bestrebungen der Frauen hindurch muß, herrlich bewährt u erhoben hat, die Fr: v. Hohenhausen ist in dieser Rücksicht auch sehr hoch zu stellen, u noch mehr, wenn man weiß, wie sich ihr Leben gestaltet hat. Vielleicht komme ich nicht später als den 15ten Aprill auf einer Reise, die mir bevorsteht, nach Leipzig. Ich wünsche u hoffe sehr daß Sie mich noch in D. antreffen. Sollte ich fortgehn, u Sie nicht in Ihrer Familie oder bey Freunden wohnen, so würde ich Sie sehr bitten mein Paradies nicht zu verschmähen, ich lasse dann jemand darin, um meine Briefe zu empfangen, u. s. w. u es ist der reizendste Wohnplatz in Deutschlands aller Residenzen vielleicht, u à porteé de tout. Was die Oper betrifft, so müßte ich wissen: für wen und welche Art? Euryanthe war eine ernste Oper zum Durchkomponiren. Diese erfordern ungeheure Arbeit. Eine solche kann ich nicht für 20 Louisdór schreiben, wohl aber eine mit Dialog vermischt; u auch dann noch müßte ich mir ein /mäßiges/ Honorar bedingen, so wie die Oper auf ein andres Theater, u wieder auf auf ein andres käme. Auch wünschte ich sehr, die Zeit zu wissen, wo sie verlangt würde, da ich die Reise vorhabe, um auch zu wissen, ob ich sie zu einem solchen Zeitpunkt versprechen kann. Eine zweyte Oper diesen Sommer Webern zu schreiben habe ich mich schon verpflichtet, u muß sogar einiger Lokalitäten | wegen deshalb eine kleine Reise machen (von 17 Meilen zwar nur.) denn das von Weber selbst vorgeschlagne Sujet verliert sich in die Nacht der Zeit, u die Lokalansicht ist günstig zur Arbeit. Weber verlangt die Oper zu heben, welcher Dichter würde da nicht freudig die Hand bieten? Er, u unser ganzer Kreis hier, haben mir die Meinige über meine Erwartung gelobt, doch habe ich Webers Angaben dabey sehr viel zu danken, u würde auch einen andren Compositeur bitten müssen, mir, wie Weber gethan, ein Scenarium, anzudeuten, ob die musikalisch angewendeten Momente gut gewählt sind? Gewiß wird jede Oper, die geschrieben ist, wie die Vestale, u wie Quinault’s u Metastasio’s Sachen, oder die Malvina (ich meine um den Geist der Anordnung der Einheit u des ächt dramatischen Interesse’s) allgemein ansprechen, u bleiben. Mit welcher Lust u Liebe ich die Euryanthe gearbeitet, kann ich gar nicht beschreiben. Natürlich gehn einem bey solcher Arbeit neue Ansichten auf, u man schafft sich neue Plane. Die, welche ich nunmehr für Weber arbeiten werde, braucht er erst künftigen Winter, u ich ziehe diese Art der Arbeiten, wegen des Vergnügens, das sie mir machen, jeder andren vor. Wollen Sie mir also Ihren Freund nennen, u er, oder Sie, mir näher das Fach bestimmen, so will ich Ihrem Zutrauen zu entsprechen suchen. Wenn ich diesen Sommer das Scenarium für Weber mache, so habe ich schon genug gethan, denn er kann sie vor November nicht anfangen, da er im Herbst nach Wien reiset, um die Euryanthe einstudiren zu lassen. Indem Sie Ihren Almanach so reichhaltig ausstatten, behandeln Sie ihn nur nicht selbst zu stiefmütterlich, in dem Sie zu wenig hineingeben. Was Ihnen von meinen Liedern nicht ganz zusagt lassen Sie hinaus. Dieser Frühling bringt mir vielleicht Lieder, seither habe ich schweren Kummer gehabt, von welchem ich mich nur nach u nach u schwer erholen werde. Empfangen Sie die Versicherung meiner achtungsvollen Ergebenheit. Helmina Chezy