## Title: Korrespondenzbericht aus Dresden, 29. September 1818 ## Author: Carl August Böttiger ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A032541 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Dresden, 29 Sept. Wo der Jubelvater wohnt, da jubeln die Kinder am lautesten. Der Jubelvater war unser König, der, nach seiner Minderjährigkeit, zwar schon am 15 Sept. (1768) seine Regierung durch Ausübung der ersten Handlung der Regentengewalt angetreten, die kirchliche Feier dieses Tages aber auf den nächsten Sonntag blos aus Bescheidenheit, um nicht durch dis Fest Gewerbe und bürgerlichen Verkehr zu stören, durch ein Rescript verschoben hatte. Allein bei der in allen Ständen gleich stark erglühenden Dankbarkeit gegen den besten Landesvater ließ sich voraussehen, daß sich ihr Erguß nicht auf Einen Tag würde zusammendrängen lassen. Man kan sagen, daß vom 15 Sept. bis 23 hier eine Festlichkeit der andern gefolgt, und aus einem Jubeltag eine Jubelwoche geworden sey. […] […] Zur Einweihung des eigentlichen Festes am Vorabend des 19, war in der herrlichen Kuppel der Frauenkirche die Aufführung einer Kantate geordnet worden, welche nach einem Gedicht von Fr. Kuhn der Musikdirektor der Kreuzschule, Ubert, zwekmäßig komponirt hatte. Einige Tausend Freibillets waren ausgegeben, die Kirche geschmakvoll beleuchtet worden. Besonders überraschte ein gleichsam mit Engelstimme von der obersten Kuppel herab, Gewährung aller frommen Gelübde aussprechender Chorgesang. Unterdessen war der König selbst mit tausendstimmigem Jubel begrüßt aus Pillnitz in die Stadt gekommen, hatte aber alle Einholung, alles Glokengeläute, alle ein gewöhnliches Kirchenfest überschreitende Bezeugungen standhaft abgelehnt. Zwei Hauptzüge seines Charakters, Frömmigkeit und Wohlthätigkeit, blieben dem festlichen Tag, den 20, als einem Sonntag, aufgedrükt. Da war kein Nothleidender in der Stadt, der nicht durch reiche Sammlungen und Unterzeichnungen an diesem Feste gespeist und erquikt worden wäre. […] Ein feierliches Hochamt in der katholischen Hofkirche, mit dem Tedeum, das auch in allen übrigen Kirchen gesungen wurde, wobei der Bischof von Budissin offiziirte, war mit Salven eines kleinen Gewehrs der vor der Kirche aufgestellten Garde, und mit dem Donner der Kanonen begleitet, welchem die Batterien vom Königstein herab in demselben Augenblik antworteten. […] | […] Nach der großen Hofgalla, die durch die Anwesenheit der außerordentlichen Glükwunsch-Ueberbringer, des Fürsten von Trautmansdorf vom östreichischen Kaiser, des Oberstallmeisters v. Jago preußischer Seits, des Oberkammerherrn v. Wolfskeel vom Großherzog von Weimar, durch die persönliche Gegenwart der Herzoge von Gotha und Koburg mit ihren Gemahlinnen, des Herzogs von Meinungen, des Erbprizen und der Erbprinzessin von Hildburghausen, der Fürsten Reuß und vieler andern Fürsten und Herren, ein prächtiges Schauspiel gewährte, waren im Schloß und beim Oberkammerherrn v. Friesen angemessene Gastmähler bereitet, worauf um 6 Uhr sich theils das Theater zu einer Freikomödie mit einem Festspiel: Liebe um Liebe, theils das große Opernhaus seinen prachtvoll erleuchteten Konzertsaal, der 3000 Menschen faßt, öfnete, wo in Gegenwart des ganzen Hofes die königlichen Kapellmeister Morlacchi und Maria v. Weber zwekmäßige Ton- und Sangstüke durch die den alten Ruhm herrlich bewährende königliche Kapelle aufführten. […] […] Am Montag war […] eine musikalische Akademie der Mad. Catalani im Saale des polnischen Hotels, die ihr mehr denn 3000 Thlr. eintrug. Vier Tage früher hatte sie vor dem Könige in Pillnitz gesungen, und war königlich beschenkt worden. Der Wunsch, sich am Jubelsonntag selbst im großen Opernsaal hören zu lassen, blieb unerfüllt, da dieser Tag nur die Huldigung einheimischer Talente zu gestatten schien. Den Schluß aller Feierlichkeiten machte eine große musikalische Akademie, wozu in der geräumigen Neustadtkirche ein eignes Orchester erbauet worden war. Hier führte die ganze königliche Kapelle mit allen andern hier gern eingreifenden Talenten im Bunde zum Besten der Armen eine Musik in drei Theilen auf, in Gegenwart sämtlicher königlichen Prinzen und einiger tausend Zuhörer. Morlacchi gab ein vom Hofrath Böttiger nach Horaz zubereitetes Carmen saeculare nebst Hymnen aus den Psalmen, Maria v. Weber eine von Friedrich Kind mit Begeisterung gedichtete Kantate in wahrhaft herzerhebender Komposition. […]