## Title: Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: „Heinrich IV. von Frankreich“ von Eduard Gehe am 8. Februar 1819 ## Author: Böttiger, Karl August ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A030822 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Den 8ten Febr. Heinrich der Vierte von Frankreich, Trauerspiel in 5 Akten, von Eduard Gehe. Als dies Stück im Juni 1818 zum erstenmale auf unsrer Bühne aufgeführt wurde, ist in diesen Blättern (Nr. 143. 144.) davon ausführlich gesprochen worden. Mehrere Bemerkungen, welche dem eifrig nach Vollendung strebenden Dichter damals von Freunden gemacht wurden, sind von ihm benutzt, vieles ist abgekürzt, manches umgearbeitet worden. In der ersten Vorstellung hatte die Königin Maria noch einen zwar schön versificirten, aber sehr unzeitigen Monolog in der Schlußscene des 3ten Akts zu sprechen, nachdem der König abgetreten und die Nachricht erschollen ist: er sey unwohl. Dis beleidigte den Wohlstand und das Gefühl der Zuschauer. Jetzt eilte, als alles in großer Verwirrung vom Theater läuft, auch die Königin mit Schrecken davon. Der Schluß des Ganzen ist dadurch, daß Ravaillac nunmehr den Mord nicht in, sondern vor der Kirche verübt, etwas wahrscheinlicher, und alles ist mehr motivirt. So hatte das Stück noch in vielen andern Scenen, z. B. in der, wo Heinrich dem Sully seine Maximen diktirt, an Rundung und Wahrschenlichkeit gewonnen. Auch in der Diktion schien, so viel sich beim Vortrag beurtheilen ließ, vieles gediegener und vollwichtiger. Indeß hatte doch auch manche andere Abkürzung bei Schilderungen statt gefunden, die wir ungern vermißten, und die bei der ersten Vorstellung mit lautem Beifall aufgenommen worden waren. Allein die berechnete Zeit gestattete es nicht anders. Dies mag bei manchen jetzt gefühlten Lücken dem Dichter wohl zur Entschuldigung dienen. – Die Aufführung erfolgte mit der möglichsten Sorgfalt und Liebe von Seiten der dabei betheilten Schauspieler sowohl, als der ganzen Anordnung, Dekoration, Scenerei, Costüms. Die Gallerie von Luxenbourg war dabei gewissenhaft benutzt. Hrn. Hellwig's Kopf hatte durch die Vergleichung mit dem Originalbilde eine täuschende Aehnlichkeit mit den Porträts Heinrichs IV. So erschiend Mad. Werdy, als Maria von Medices, eben so prächtig als zeitgemäß kostümirt. Der Krönungszug vereinigte Würd mit Glanz. Die von der Zauberin Pasithea, Mad. Hartwig, aus dem Crystallspiegel hervorgerufenen Tableaux erschienen hinter einer Gaze, durch weibliche Personen, in magischem Halblicht vorgestellt, noch bestimmter. Die Vorüberführung Chatels zum Richtplatz, in der Kirchhofscene, war diesmal weit deutlicher, und Ravaillac's Entsetzen sowohl, als die damit abwechselnde fantastische Begeisterung, wurde dadurch um vieles verständlicher. Hr. Hellwig nahm die gutmüthige chevalierske Rolle des Königs ganz so, wie sie der Dichter vorgezeichnet hatte. Bestimmter, kräftiger würde zwar dem Charakter selbst, und auch den Zuschauern sehr wohl gethan, aber es auch völlig unbegreiflich gemacht haben, wie eine sonst so tüchtige Königsnatur, die dem spanischen Gesandten so kräftig abfertigt – diese Scene wirkte vorzüglich gut, – sich durch dies Anstürmen einer blos eiteln Königin und, als er sich schon wieder ermannt hat, durch eine Ohnmacht denselben gegen alle Warnungen von außen und Ahnungen von innen von seinen Entschlüssen abbrigen läßt. Wie herzlich und gewinnend war sein Ton bei der Ballade vom Ritter Bayard, wie wahr sein Mienenspiel, während die Königin über ihren Sieg frohlockt. Nur in einigen Stellen hätte man noch mehr poetische Wärme von innen heraus wünschen können, z. B. bei der Erwähnung der Troubadours. – Madame Werdy behauptete in den leidenschaftlichen Scenen ihren alten Ruhm. Sie ist freilich nur ein fast willenloser Spielball in den Händen einer Rotte, die sie umspinnt. Aber eben darum hätte sie vielleicht am Schluß, da wo sie ahnet, was Galigai mit ihre vor hatte, noch etwas hochfahrender und beleidigter erscheinen sollen. Denn Schwächlinge fahren bei leiser Ahnung der Art entsetzlich auf. – Hr. Julius fand als Ravaillac, obwohl manches gemildert oder geändert seyn mochte, noch immer Spielraum genug zur Entwicklung eines sehr durchdachten Spiels. Auch er ist Werkzeug. Aber wie verzehrt er sich, den schon die Lust der Welt ausbrannte, nun auch in der Glut des Fanatismus! Die Scene im Louvre mit dem König ließ, durch die Wahrheit, womit beide spielten, auf einige Augenblicke alle Unwahrscheinlichkeit schweigen. Der halbe Wahnsinn, gleich vor dem Meuchelmord, wurde um so furchtbarer, als der weise berechnende Künstler gerade darauf noch manche Steigerung in Ton und Gebehrde aufgespart hatte. – Mad. Hartwig, als Pasithea, gefiel uns diesmal noch besser, weil sie im Zauberspiel vor dem Krystallspiegel und überall weniger heftige Beweglichkeit, mehr kalte Verruchtheit und Absicht zeigte. – Herr Werdy, als Sully, zeigte Festigkeit ohne Härte; Hr. Kanow, als Aubigny, in einer sich erheiternden Episode, derbe Biederkeit; Hr. Schirmer, in der kleinen Rolle des Todtengräbers, große Gemüthlichkeit, die auch von den Zuschauern gefühlt wurde. Wenn nun in den Hauptrollen nirgends etwas versäumt, und selbst in unbedeutenden Nebenrollen, selbst in den zwei Knabenrollen der kleinen Prinzen, mit Fertigkeit gespielt wurde; so bleibt der Mangel aller lauten Beifallsäußerungen des Publikums gewiß sehr befremdend. Die weitere Entwickelung der Ursachen, die hier in mannigfaltiger Richtung gewirkt haben mögen, muß einer andern Gelegenheit aufgespart bleiben. Gewiß wäre auf mancher andern Bühne, sowohl der Mörder als der Ermordete herausgerufen worden, da beide völlig genügten und ungemeines Kunstaufgebot anwandte[n]. Man kann auch die aufmerksame Ruhe, die bis an's Ende aushielt, für ein Zeichen wahrer Zufriedenheit annehmen. #lb#Böttiger.