## Title: Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: „Die Flitterwoche“ von Schilling am 3. Dezember 1818 (Teil 2 von 2) ## Author: Böttiger, Karl August ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A030310 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Die Flitterwoche.#lb#(Beschluß.)Doch auch so, wie das anspruchlos vom Dichter gegebene, von allen Mitspielenden mit vorzüglicher Liebe gepflegte Stück da steht, wird es, wenn nur einige Nachbesserung oder Verkürzung von vorn herein noch statt findet, gern wieder gesehen werden. Denn in der sich so einfältig anstellenden Neuvermählten entwickelte Mad. Schirmer große und, wir dürfen hier wohl das allgemeine Urtheil aussprechen, rettende Kunst. Sie bewieß uns dadurch auf's neue, daß sie im Komisch-naiven eine eben so große Meisterin sey, als im Rein-sentimentalen. Sie bewahrt, durch die ihr eigene Anmuth, die hier als harmlose Gemüthlichkeit erschien, ihre sehr chargirte Rolle doch vor widriger Caricatur. Den Grundton ihres Spiels hat der Dichter selbst dadurch angegeben, daß er sie in der Aufklärungsscene am Ende selbst eingestehn läßt, sie habe übertrieben. Wie willkommen wurde mancher andern Schauspielerin dieser Wink zum Herabziehen des Scherzes in die niedere Possenhaftigkeit gewesen seyn! Unsere Künstlerin legte in ihre einfältige Geschwätzigkeit und liebkosende Andringlichkeit, mit dem von ihr mehrmals eingeschobenen: meine Männe! auch dies noch, daß sie das g zum Anfang der Wörter mit hauchender, platter Weichheit aussprach. So pikant auch diese Aussprache hier war, so gränzte sie doch, weil man fragen konnte, ob sie denn auch trotz aller vormaligen Einsylbigkeit im Brautstande schon so gesprochen habe, an Unwahrscheinlichkeit. Aber darin bestand eben die Uebertreibung. Die beabsichtigte Wirkung wurde dadurch vollkommen erreicht. Von ihrem Hereintreten an, wie sie, roth angezogen, – das schmutzt nicht und putzt doch im gemeinen Sinne, – das weiße Vortuch als Küchenbrödel abbindet und haushälterisch zusammenfaltet, die flinken Küchendiener, ihre Finger, beschauend (nicht beriechend, dies würde ja die Grenze überschreiten), bis zum kindischen Herumtrippeln, wenn der Herzog kommt, war Ein Guß. Die nachahmende, malende Gebehrde, mit ungemessenem Händespiel, ist überall der Ausdruck der ungebildeten Stände. Wir sahen diese hier im ergötzlichen Ueberfluß. Wie stand sie bei der Beschreibung der dick gewordenen Suppe selbst als „kerzengerader“ Rührlöffel vor dem betroffenen Gatten! Das Declamiren der Gellertschen Fabel mit dem höchst drolligen Steckenbleiben und dem, vom Dichter nicht angegebenen, doch sehr wirksamen Zusatz; das mit süßester Selbstzufriedenheit gesprochene Käferliedchen (gesungen, was eigentlich der Dichter wollte, hatte es gewiß die Ungeduld, das mühsam Erlernte gleich von sich zu geben, weniger angedeutet, oder wäre in unzartes Gekreisch ausgeartet); die komische Fensterscene, wo sie sich dem Hut lieber selbst nachgeworfen hätte, vor allem aber die Mimik bei der Erzählung von der auf dem Kirchthurm befindlichen Leihbibliothek wird jedem, der es sah, auch noch in der Erinnerung ein kleines Fest bereiten. Noch bleibt der Schauspielerin, die dieser nur angenommenen Einfalt und Dümmelei (wenn dies Wort erlaubt ist) ganz gnügen will, ein feines Doppelspiel übrig. Sie muß, so oft sie vom Baron abgewandt steht – und das kann sie bei ihrer kindischen Beweglichkeit so oft, als der Baron in Verzweiflung sich gebehrdet, – durch ihre Miene, die aus dem flach aufgeschlagenen weißem Buche sogleich ein beschriebenes wird, die Schadenfreude über das Gelingen der Neckerei andeuten und das kluge Gesicht annehmen. Wenn wir dies nur einigemal in leisem Anflug, nicht sehr stark bezeichnet, gewahreten, so liegt es in der vom Dichter selbst zweideutig gelassenen Situation. Wie weit stärker würde sie es markirt haben, wenn die Zuschauer schon Mitwissende gewesen wären! – Nicht weniger gelungen war nun auch die mit obigem in Contrast gestellte wahre Vornehmheit und Feinheit in Haltung, Ausdruck und Ton in Gegenwart des Fürsten zu nennen! Wie ausgleichend gegen die frühern Mißtöne die so zart gesprochene französische Tirade und die begeisternde Declamation des Königsliedes; so wie später die besänftigende, holdanschmiegende Versöhnungsscene. So läßt uns die kunstreiche Darstellerin in Einer Rolle das Possirlichste und Zarteste erblicken. Fürwahr, es giebt nur wenig solche Janusköpfe! Wir begreifen, daß der entzauberte Baron beim Anblick dieser Metamorphose dem vertrauten Udo um den Hals fallen muß. Ließen sich aber damit auch die so harten Ausbrüche des Unwillens, ganz nach der Vorschrift des Dichters, in dem Kopf gegen Kopf am Ende völlig in Einklang bringen? – #lb#Böttiger.