## Title: Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: „Donna Diana“ von C. A. West am 18. Januar und 1. Februar 1818 (Teil 2 von 2) ## Author: Böttiger, Karl August ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A030239 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Donna Diana#lb#(Beschluß.)Mit tiefer Einsicht in dies Seelengemälde hob sie bei der dritten Vorstellung in der Beichtscene, wie wir die letzte Unterredung der nun völlig mürbe gewordenen mit Laura nennen möchten, den Vers: „Ein Mann nicht, mein Gestirn hat mich besiegt.“ höchst pathetisch und mit emporgehaltener Hand hervor. Es sind die letzten Worte vor den mit Herzgewinnender Lieblichkeit gesprochenen Worten: „geh', liebe Muhme, reich ihm Deine Hand!“ Die platonisirende Schwärmerin ist ja auch Astrologin. So träuft ihr aus den Sternen ein Balsamtropfen. Endlich kommt unter unendlichen Geburtswehen, in welchen, so gespielt, die tragische Ironie ihre höchste Spitze erreichte, das Geständniß: „ich liebe, ja!!“ zur Welt. Wenn bei der ersten Vorstellung der Künstlerin hierbei eine Ohnmacht so nahe schien, daß selbst Florette sie unterstützen musste, so konnte sie diese Steigerung zwar durch die Worte: „ich sterbe,“ rechtfertigen; allein die ganze Situation forderte Milderung. Sie ward ihr bei dem ruhigern Ermessen in den zwei folgenden Vorstellungen. Sie sank hier Lauren nur an die Schulter. Die Schlußscene mit der Ergebung an Don Cesar erndtete jetzt durch die Weichheit, womit sie, dem Geliebten an die Brust sinkend, mit der affektvollsten Zärtlichkeit ihn ihren Tyrannen nannte, den lautesten und verdientesten Beifall. Bei der ersten Vorstellung war dies anders genommen worden. Auch thaten die vier Verse, womit nun Donna Diana selbst das letzte Wort behält, zur Auflösung aller noch möglichen Dissonanz ihre volle beruhigende Wirkung. Herz-bewegender mag die holde Künstlerin oft spielen. Ein vollendeteres Kunstspiel wird sie schwerlich geben können. Don Cesar – Julius beherrschte seine Rolle gleichfalls weit sicherer. Aechte Chevalerie mit südlicher Glut trat überall noch leuchtender hervor. Seine erkünstelte Gleichgültigkeit muß stets vor unsern Augen entstehn, so oft Perin, sein komischer Schutzgeist, durch den doppelten Stachel, bald tadelnd bald scheltend, ihn anreizt und prickelt. Dies entwickelte sich jetzt auf eine für die Zuschauer noch genußreichere Weise. Der höchste Punkt seines Spieles, mit dem Ausruf: „elendes Herz, verrathen hast Du mich!“ erschien bei der dritten Vorstellung in ganz vollendeter Kraft und Klarheit. Dasselbe muß von der an Ohnmacht gränzenden Glutscene am Schlusse des zweiten Aktes (nach der hiesigen sehr zu billigenden Eintheilung) gesagt werden. Der Künstler versteht zu sparen und zu steigern. Jedesmal, wenn ein neuer Angriff bevorsteht, giebt's einen Stoßseufzer. Aber dieser wird bei jeder Erneuerung beklommener. Seine wahrhaft schöne Stellung, als Donna Diana herein tritt, alle drei Prinzen noch einmal zu belauschen und Schalk Perin ihm zuruft: „bei alle dem ein schöner Mann!“ darf nicht unbemerkt bleiben. Die Ruhe, den wahren Riposo, gab auch die alte Plastik stets mit einen Fuß über den andern geschlagen. Die größte Klippe in dieser Rolle ist, wenn der Schauspieler Perins Einflüsterung: „kalt seyd, und wenn es seyn muß, grob,“ zu buchstäblich nähme, wie wir dies anderswo, als auf unserer Bühne, einigemal bemerkt zu haben glauben. Die dankbarste, d. h. die von der Mehrzahl der Zuschauer am leichtesten begriffene Rolle hat Perin. Herr Helwig spielte diesen Schalksknecht zweier Herren doch mit solchem Zusatze treuherziger Gutmüthigkeit, daß ihm jeder seine Doppelseitigkeit gern verzeiht, und ihm stets alle Herzen, so oft er eintritt, gleichsam entgegen fliegen. Blos auflauschende Verschmitztheit und Spott mit Schadenfreude liegt weder im Stück, noch ergötzt es die Zuschauer. Sehr wirksam hatte Hr. Helwig das schwarze Wams nunmehr zum zweiten Costüm gewählt. Seiner beweglichen Quecksilbrigkeit sagt alles zu, was noch schlanker macht. Fanden wir schon bei der ersten Vorstellung seine (nach ächt südlicher Sitte) vielfach beredte Fingersprache, sein Ruck- und Vorwärtsbiegen des Oberkörpers, sein Spiel mit dem Mantel, der selbst noch Augen und Ohren zu haben schien, seinen Gang auf den Fußzehen, sein blitzschnelles Hereintrippeln oder Hintenausschlagen mit dem Fuße, sein mißtrauisches Mustern aller Umgebungen und Herumhorchen vor jeder neuen Einzischelei – er nennt sich ja selbst die Schlange, die hinter dem Baume lauert – seine mistischen Bewunderungs- und Verspottungsgeberden sehr behaglich und stets am rechten Orte: so trat bei den folgenden Vorstellungen dies alles in noch üppigerer Fülle und berechneter Verstärkung im Fortschritt des Doppelspiels, also befriedigender vor unsre Augen. Perin's Ungestüm durfte sich nun einigemal in seinen Anstößen bis zum Drängen und Puffen auf den schier aus seiner Rolle fallenden Don Cesar vergessen. Man begriff es und lobte es. Auch wurde die schwierige Aufgabe, durch die gelenksamste Gewandheit den Zuschauern es glaublich zu machen, daß Donna Diana über seine Unzertrennlichkeit von ihrem Gegner sich täuschen lassen könne, durch die erst bei wiederholter Uebung mögliche Berechnung des physischen Raums jetzt noch weit besser gelöst. Wir wünschen unserm Künstlerverein und unserm Publikum Glück zu einem solchen Perin. Möchten nur die Nebenrollen der zwei übrigen Prinzen und Prinzessinnen vom Dichter selbst nicht gar zu sehr in Schatten gestellt seyn. Doch hat der einsichtvolle Bearbeiter, dem das deutsche Publikum schon so manchen reichen Genuß verdankt, neuerlich auch hier sehr verständig nachgeholfen, und es ist zu erwarten, daß auch auf unsrer Bühne, da die Direction so gern auf alles Rücksicht nimmt, was dem gebildeten Publikum Vergnügen gewähren kann, bei öfterer (sehr zu wünschenden) Wiederholung dieses Stückes auch von diesen von Wien aus mitgetheilten Verbesserungen Gebrauch machen werde. #lb#Böttiger.