## Title: Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: „Donna Diana“ von C. A. West am 18. Januar und 1. Februar 1818 (Teil 1 von 2) ## Author: Böttiger, Karl August ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A030238 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Am 1. Februar (so wie am 18. Januar). Donna Diana, Lustspiel nach dem Spanischen des Moreto in 5 Akten, von C. A. West. Dies Stück, mit vollem Rechte seit mehr als einem Jahrhunderte im südlichen Europa la famosa comedia genannt, kann nur, wie jedes gute Musen- und Musikstück, durch öftere Wiederholung sich vollkommen runden und volle Wirkung thun. Geschieht ihm nur durch die Darstellung sein Recht, es muß, wie jene Riesenkinder in der Fabel, so oft es aufs neue ersteht, kräftiger da stehn. Und was soll aus unsrer ganzen Bühnenkunst werden, wenn wir, der frivolsten Neugier allein fröhnend, die Bühne nur zu einem Lesekabinet oder Guckkasten machen wollen? Gewiß es gereicht dem Leipziger Publikum und der dortigen Donna Diana zu großer Ehre, daß in weniger als sechs Monaten das Stück dort siebenmal vor stets vollem Hause aufgeführt wurde. Auch hier haben zwei kurz hinter einander folgende Wiederholungen ein zahlreiches und doch ausgewähltes Publikum mit der lebendigsten Aufregung gefunden. Es ist unmöglich, daß bei einem der Einkleidung und dem Ueblichen nach so fremdartigen, in der Anlage, Fortschritt und Auflösung aber so meisterhaft-durchgeführten Stück, worin nicht eine Scene, ja, recht erwogen, nicht Ein Verswechsel ohne höchst ergötzliche Beziehung auf das einzige Ziel, Frauensprödigkeit durch Liebhaber-Stolz besiegt, el Desden con el Desden, ausgesprochen wird, schon bei der ersten Vorstellung ganz gelingen und von der gespanntesten Aufmerksamkeit ganz aufgefaßt werden kann. Selbst der, für welchen das Ganze etwas abstoßendes hätte, würde durch die unleugbare Schönheit der Situation und des Details bald damit ausgesöhnt werden, wenn er's nur wieder sähe. Je tiefer die Schauspieler sich mit den (sehr schweren, aber auch sehr dankbaren) Aufgaben durchdrungen haben, desto mehr müssen sie sich erst selbst mit einander ausgleichen und durch gegenseitiges Abmessen und Begegnen des Wechselspiels, in jeder Entwicklung und Abstufung, sich klar bewußt werden können: so weit und nicht weiter! Die Proben ohne Zuschauer können technische Festigkeit geben und ohne sie ist kein Heil. Aber der belebende Hauch kommt nun von den Zuschauern. Jede erste Vorstellung eines guten Stücks ist daher doch nur eine Generalprobe mit voller Beleuchtung und Besetzung. Erst bei den folgenden Vorstellungen ist reiner Einklang und ganz befriedigendes Zusammenspiel gedenkbar. Man sollte daher ein solches Stück wenigstens dreimal hinter einander gesehn haben, um über das Kunstvermögen des Dichters, wie der Schauspieler, nicht voreilig abzusprechen. Es sey und gestattet, dieß durch einige nachträgliche Bemerkungen über die drei Hauptrollen in der Donna Diana zu bestätigen. Mad. Schirmer behandelte schon beim erstenmal die ihrer natürlichen Huld und Anmuth absagende, also nur als reine Kunstschöpfung zu lösende Aufgabe, die Rolle der Donna Diana, mit allem Aufgebot der fein-berechnenden und steigernden Kunst. Aber was sie bei der ersten, in der Vertheilung von Licht und Schatten doch immer noch etwas unsichern Darstellung nur spielte, war sie wirklich bei den zwei nachfolgenden. Bei jedem erneueten Kampf wußte sie nun, wie weit sie jetzt gehen konnte. Das gab ihrem Spiel die ergötzlichste Wahrheit und versetzte Mitspielende und Zuschauende in die fröhlichste Stimmung. Denn Lustspiel, wie selten ein anders, ist dieß. Nicht launisches Gelächter, aber ein Lachen, wie es die Olympier dort im Hause des Zeus lachen, muß sich das ganze Stück hindurch auf jedem Gesichte kund thun. Je tragischer die Verzweiflung, desto komischer die Situation. Die Donna hielt jetzt in der ersten Hälfte des Stücks, wo ihre (ihrem Wesen eigentlich fremde, nur durch platonisirende Ideen und Astrologie ihr aufgedrungene) Sprödigkeit nur immer heftiger gereizt wird, sich stets eben so sehr vom Ausdruck des Aergers und Zorns, als des hoffärtigen Uebermuths, den wir Hochmuth nennen, entfernt. Beides würde der wahren Vornehmheit des Spiels, dem innern Adel, der mit dieser Wahn-Idee gar wohl besteht, empfindlichen Abbruch thun. Nicht mit Unwillen, sondern mit triumphirender Zuversichr in Mienen und Geberden, nahm sie jetzt die Ausfoderung an: „ihr wollts, so habt den Krieg!“ Die Bezauberungs-Scene, womit sie vor dem Balle Don Cäsars erkünstelte Kälte wirklich schmilzt, gab sie jetzt weit bethörender und bestrickender durch Liebreiz, da sie ihres Maaßes sicher war. Um so vergnüglicher wirkte der Contrast, wo sie den Dolch des Hohns in seine Brust drückt: „Zurück, Unwürdiger!“ und um so wirksamer ihre eigene beschämte Verwirrung. Noch vollendeter wird jetzt durch Mienenspiel und Geberdung die Sirenenscene im Garten, wo sie durch verführerisches Lautenspiel den Angiff erneuert, abgestuft. Die Steigerung vom Betroffenseyn zum Erstaunen, Verdruß, Zorn; vom Lauschen zum Aufhorchen, Vorbeugen, Aufspringen; das gespannte und erschlaffte Muskelspiel in jedem Gesichtszug, in der sich die Verschmähung der zweimal abgesandten Erwerberinnen zurückspiegelt; wie sicher und vergnüglich wurde dies alles durchgeführt. Aber ein solches Spiel wurde auch nur durch die verständige Gruppirung auf einem stufenweise erhöheten Gartensitz anschaulich. In Leipzig geht aus Mangel einer solchen Einrichtung in dieser Scene einiges verloren. Das Erstarren beim wirklichen Abgang Cäsars gab sie zum drittenmale am schönsten. Es flirrt vor ihren Augen. Sie bedeckt sich mit beiden Händen das Gesicht. (Vorher hatte sie sich schon zweimal nur mit der einen Hand die Stirne gehalten). Bei der ersten Vorstellung ließ sie die Arme erschlafft sinken. Diese Erschlaffung kann aber zugleich mit der wankenden, gebrochnen Stimme erst im fünften Akte eintreten. Derselbe Gest, das Erfassen und Verhüllen des Kopfs mit beiden Händen trat auch da, wo sie sich verzweifelnd in den Stuhl wirft, jetzt schicklich an die Stelle des auf den Tisch zwischen beiden Händen niedergesenkten Haupts. (Der Beschluß folgt.)