## Title: Nachrichten aus Dresden vom 2. Juli 1817 (Teil 1 von 2) ## Author: Böttiger, Karl August ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A030141 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Werners Todtenfeier am Abend des 2. Juli 1817. Abraham Gottlob Werner entschlummerte den 30sten Juni Abends zwischen 8–9 Uhr im Gasthause zum goldnen Engel, wohin er vor 4 Wochen von Freiberg herab gekommen war, um bei einem verwickelten Eingeweide=Uebel die Hülfe der erfahrensten Heilkunde zu suchen. Wenn es in Sachsen heißt Werner starb, so kann keinem Gebildeten der geringste Zweifel entstehn, welcher Werner gemeint sey. Der Name des Erfinders und Begründers der diagnostischen Mineralogie wird mit hoher Achtung in allen Welttheilen und Ländern genannt. Werner gehört also, seinem Namen und seiner weitverbreiteten Wirksamkeit nach, dem ganzen cultivirten Europa an, war aber dabei doch ein seinem Könige und Vaterlande treuer Sachse, den weder der Glanz noch die Vortheile fremder Anerbietungen je zu locken vermochten. Es ist völlig unentschieden, ob er ein größerer Wisser oder ein besserer Mensch gewesen. Darum schwieg auch jede andere Rücksicht, und alle rechtlich gesinnten und unbefangenen Bewohner Dresdens in den obern und mittlern Regionen freueten sich, als widerfahre ihnen selbst etwas Angenehmes, als es bekannt wurde, es sei der Wille des Königs, daß der Leichenzug, welcher die sterblichen Ueberreste des Vollendeten von Dresden in der Nacht zwischen dem 2ten und 3ten nach Freiberg zur feierlichen Beisetzung in der Domkirche daselbst bringen sollte, mit allen Auszeichnungen ausgestattet werde, die eines so seltenen Staatsbeamten, Gelehrten, Lehrer, Menschen in so voller Beziehung vollkommen würdig zu seyn schien. Es geschah alles was möglich war mit dem feinsten Sinn und der gemessensten Anordnung. Seit Menschengedenken ist niemand durch die Art seiner Leichenbestattung vom Staate selbst so geehrt, ist keine Ehrenbezeugung so allgemein gebilligt und angemessen gefunden worden. Es geschah ja auch nicht bloß vor den Augen der Residenz=Bewohner. Auf diese Todtenfeier heftet ganz Deutschland und das ferne Ausland seine Aufmerksamkeit. Sein Tod wurde in allen Häusern, wo Hoffähige wohnen, von der Hofbedienung angesagt und damit die Einladung zur Begleitung der Leiche an der gesetzten Abendstunde verbunden. Der Staat übernahm die Bestattung, wozu vom Geh. Finanzcollegium sogleich eine bestimmte Summe angewiesen wurde. Es war also, in ächt römischem Sinne zu sprechen, ein öffentlicher und angesagter Leichenzug (funus publicum et indicticium). Da der Verstorbene nie Familie gehabt hatte, nie verheirathet gewesen war, uns seine Schwester, die einzige Uebriggebliebene seines Geschlechts und seiner Verwandtschaft, eine Predigerswittwe in Hirschberg in Schlesien, nur wenige Stunden vor seinem Entschlummern herbeigeeilt war: so konnte und durfte der Staat hier eintreten und ehrte durch ein solches Hinzutreten vielfach sich selbst, als den würdigsten Bewahrer jedes geistigen Besitzthums, und den Verstorbenen, als einen geliebten Sohn des Vaterlandes. Ein wahrhaft theilnehmener Freund und dankbarer Schüler des Verstorbenen, der Bergrath von Herder, war nach Werners eigenem Wunsche den Tag vor seinem Abscheiden aus Freiberg gekommen und leitete nun nach der ihm hohen Orts gewordenen Anweisung die Anordnung der Trauerceremonie. Von Freiberg selbst kamen Abgeordnete der Bergacademie, der Bergcollegien und der Knappschaft, um die Leiche an der Markscheidung der Residenz in Empfang zu nehmen, die bis auf diesen Scheidepunkt von allen gegenwärtigen Räthen und Mitgliedern des geheimen Finanzcollegiums, von den obersten Civil= und Militärbehörden und von einem zahlreichen Gefolge seiner Freunde und Verehrer aus den obersten Classen von Dresdens Bewohnern, in einer Reihe von 36 Trauerwagen begleitet wurde. Die Leidtragenden versammelten sich in den Zimmern des goldnen Engels, die der Verstorbene bewohnt hatte, gegen 9 Uhr und erhielten da einige Erfrischungen. Die in der schönen sächsischen Berguniform angekleidete und mit allen ihr gebührenden Ehrenzeichen geschmückte Leiche des Betrauerten stand in einem Nebenzimmer. Wie viel Augen feuchteten sich beim Anblick der auch durch den Tod nicht enstellten Züge eines Mannes, der nie im Leben eine moralische Maske getragen hatte und auch jetzt noch jene unerkünstelte Milde und Herzensgüte in jeder Miene ausdrückte, die ihm im Leben alle Herzen gewann. Man bemerkte unter den Anwesenden selbst Se. Excellenz den Herr Cabinetsminister Graf v. Einsiedel, Se. Excellenz den Herr Conferenzminister v. Nositz und Jänkendorf, die obersten Hofchargen und Präsidenten der Landescollegien. Auch hatten sich die Kais. Russischen und Königl. Preußischen Herren Gesandten, der General Canicof und der Baron von Oelsen beim Leichenconduct des Mannes eingefunden, der, ein Mitglied vom Französ. Nationalinstitut, auch fast allen gelehrten Gesellschaften und Academien in und außer Deutschland, und unter diesen auch den Academien von St. Petersburg und Berlin angehörte. (Der Beschluß folgt.)