## Title: Rezension: „Missa sancta Nr. 1“ (WeV A.2) von Carl Maria von Weber ## Author: Benelli, Antonio Peregrino ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A033256 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Bemerkungenüber die neue, vom königl. sächs. Kapellmeister, Hrn. Karl Maria von Weber, in Musik gesetzte und am 8en u. 24sten März 1818 in der kathol. Kirche zu Dresden aufgeführte Missa; von Antonio Benelli.(Aus dem Italienischen *)*) Hierzu die musikal. Beylage, No. III.. Die musikal. Zeitung besitzt zwar in dieser unsrer Stadt einen Correspondenten, der allem wahrhaft Bedeutenden, was von Musik öffentlich gehört wird, mit zu aufmerksamen Blicken folgt, als dass nicht vorauszusetzen wäre, er werde auch über das, in jeder Hinsicht wichtige, in jedem Sinne neue, treffliche, und bey der Aufführung auch mit dem einstimmigsten Beyfall von Kennern und Liebhabern aufgenommene Werk, das die Ueberschrift nennet, sich bald aussprechen: gleichwol kann ich der Neigung nicht widerstehen, auch meine Bemerkungen niederzuschreiben, und sie der Redact. zur Bekanntmachung, wofern sie sie deren würdig hält, mitzutheilen. Und bedarf es einer Entschuldigung, dass ich mich in das, mir allerdings neue Feld der musikal. Kritik wage: so diene hierzu, dass ich durch mein ganzes, der Tonkunst in nie geschwächter Liebe und nie ermüdetem Studium hingegebenes Leben dazu wenigstens nicht unvorbereitet bin, und dass ich durch meine Verhältnisse in den Stand gesetzt worden, dies Werk sehr genau, und genauer kennen zu lernen, als es dem, der es blos bey den öffentlichen Aufführungen gehört hat, möglich ist, und wäre er auch der grösste Kenner und der aufmerksamste Zuhörer. Erstrecken sich aber diese meine Bemerkungen mehr auf das Einzelne, und auf das, was man im engern Sinn das Künstlerische nennt, als auf das allgemeinere Aesthetische: so wird man das eben dem praktischen Künstler am wichtigsten zu Gute halten; zumal da von jenem auf dieses sich leicht schliessen, und dies ja überhaupt sich besser empfinden, als, auch von viel geübterer Feder, in Worte fassen lässt. Und so begnüge ich mich, was dies anlangt, mit den wenigen Zeilen: Ich kenne unter den zahlreichen Missen ausgezeichneter Meister unserer Tage kaum einige, in welchen so ausdrucksvolle Melodien mit so eigenthümlicher und trefflicher Harmonie, so feyerliche, kirchliche Andacht mit solchem Glanz der neuern Tonkunst, so viel bedachtsamer Ernst mit solcher feurigen Genialität verbunden wären; und auch nicht eine, welche diese, in diesen vereinigten Punkten, und im Ganzen genommen, überträfe. Zwar haben unterrichtete Kunstfreunde, wie ich vernehme, in einigen Sätzen des Werks (nur in einigen) viel Künstlichkeit bemerken wollen: ich muss aber gestehen, dass ich diese Meynung keineswegs theile, und mich auch überhaupt nicht überzeugen kann, dass Werke der Kirche, als denn doch die höchsten der Tonkunst, in dem Grade populär seyn sollten, dass sie bey ein -, zweymaligem Hören gänzlich durchschauet werden könnten, und dass der Verf. solcher Werke verlangen könnte: Seyd zufrieden, wenn ich durch mein Werk, bevor ihr es näher kennet, im Ganzen die Gefühle anrege, die durch dasselbe angeregt werden sollen; und wollt ihr mehr, wollt ihr es auch durchschauen: so hört es öfter! – So viel über das Ganze; und nun wende ich mich zu den einzelnen Bestandtheilen! | Das Kyrie ist ein, im andächtigen Kirchenstyle geschriebenes, originelles Adagio in Es dur. Die ganze Harmonie beginnet es im ersten Takte mit einem Forte des Grundaccords, dem im zweyten ein Piano eines verwandten Accords folgt, und im dritten tritt ein kleines Thema für zwey tiefe Stimmen ein, welches bald die beyden hohen Stimmen beantworten, worauf sich sodann alle vier zusammen bis zum Christe mit Figuren hören lassen, die der Wirkung in unsrer Kirche, welche des Wiederhalls nur allzuviel hat, vollkommen angemessen sind, weil die Harmonie in's Grosse angelegt ist, und die vier Stimmen in richtigen Verhältnissen, mit entgegengesetzten Bewegungen und einer schönen Uebereinstimmung verwebt sind. Der Ausdruck stimmt zur Feyerlichkeit und Andacht. – Das Christe ist ein Andante in As dur, welches der Tenor in einem kleinen Solo vorträgt, worein der Chor melodisch verwebt ist. Das Motiv desselben ist anmuthig, ohne dass es darum der Andacht widerspräche. Es schliesst sich bald mit einem Unisono für Violinen, Viola und Bass mit den Noten ces, g, as, es, der Tenor antwortet in dem nämlichen Gange, nur dass nun die letzte Note, des mit b3–6 wird; der Bass macht eine Cadenz in es3–b7, um in as moll überzugehen, und das Chor beginnt wieder das nämliche Thema des Forte, welches der Tonsetzer nach einem kleinen Sopranosolo gebraucht hatte. Diese schöne Circulation, die sowol den Singstimmen, als den Instrumenten gegeben ist, und worin sie einander nachahmen, um wieder in die Dominante zu kommen, darf gewiss classisch genannt werden. Sie ist auch von starker, sehr eindringlicher Wirkung. Man betrachte nur die Wendung No. 1 der musikal. Beylage, und man wird sich von der Wirksamkeit dieser in die Violinen und Viola gelegten Harmonie, so wie des Einfallens des Basses, um in die Dominante zu kommen, leicht überzeugen. – Das Kyrie schliesst sich dann mit der Melodie des ersten Tempo. Das Gloria in excelsis ist ein majestätischer, in C dur geschriebener Rhythmus, der mit einem Thema in unisono beginnt, worin beym Eintreten der vier Stimmen den Violinen, nach dem nämlichen Thema, eine entgegenlaufende Antwort gegeben ist, der Bass aber, bey den Worten in excelsis, in andern Wendungen sich erhebt, mit dem Tenore in der Terz sich vereinigt, darauf, auch in der Terz, eine entgegenlaufende Wendung zurücknimmt, und die beyden gleichen Stimmen also das in excelsis ausdrücken. Hier giebt der Meister den hohen Stimmen ein Unisono von etlichen Takten über diesen Noten, dem Alte die Quinte und dem Sopran die Duodecime; eine ganz eigene Verwebung, deren Wirkung nicht schöner seyn könnte. Hierauf folgt die Harmonie eines Piano in einfachen Accorden, ganzen und halben Noten, für das ganze Chor, mit den Worten: et in terra pax. Im Thema des Gloria wird laudamus te ausgedrückt; der Bass macht eine Cadenz mit dem Accorde D, A3–6, D#3–7, um in der Quarte unter der Dominante zu bleiben und die vier Stimmen halten unisono in der Octave bey den Worten adoramus te, wo der Bass figurirt, sich nach dem unisono der Violinen bewegt, und mit der kleinen Terz in As dur geht; (gratias agimus tibi) dann kehrt er in wohlgewählten Accorden zur Dominante und zum ersten Thema, bey den Worten Domine Deus, zurück, wo das Thema und die entgegengesetzte Antwort moduliren und die vier Stimmen in Figuren von ganzen Noten, zum Ausdrucke der Worte Rex coelestis, ein vollkommenes harmonisches Ganze bilden. Auch bewegen sich hier die vier Stimmen mit Kunst in entgegengesetzter Bewegung, um in A moll zu kommen, worin das Sopransolo, Qui tollis peccata mundi, gesetzt ist. Hier wird die Harmonie der Begleitung sehr einfach, und um so passender, da die Gesangstimme selbst einfach ist; der Rhythmus wird nicht geändert, wie sonst gewöhnlich: aber alles drückt Andacht und sanfte Rührung aus. (Mit einer Art von Grauen erinnere ich mich manches andern Qui tollis, das eine förmliche Arie mit voller Instrumenten - Begleitung im Concertstyle ist, und, mit anderm Text, in jeder beliebigen Oper weit besser, als in der Kirche, an seinem Platze wäre. Vergebens einfern Fux und andere der grossen, ältern Meister dagegen: man lieset sie nicht! Vergebens widersetzt sich Gefühl und gesunder Menschenverstand: man ist nun einmal gewohnt, die Worte für nichts anzusehen, als für ein Vehiculum, dass gesungen werden könne! Und wenn wir von Mad. Catalani lesen, dass sie in Paris rhode'sche Vio | linvariationen auf Lalalala gesungen habe: so ist das am Ende, in Hinsicht des Textes, nur dasselbe, offener und unvertünchter dargelegt.) Am Schlusse bildet sich eine Harmonie von fünf Stimmen, um die Worte miserere nobis auszudrücken. Sie modulirt nach der Tonica, wo ein Soggetto d'immitazione beginnt un fugirt wird, indem der Alt in der Quinte anhebt, der Tenor antwortet im Unisono, in der Prime, wo der Alt ein kleines entgegengesetztes Thema hat, damit der Bass in der tiefern Quarte beginne, welcher das nämliche Gegenthema des Altes behält, um dem Sopran das Thema zu überlassen. Man sehe No. 2 der musikal. Beylage. Bemerkenswerth ist die schöne Bearbeitung des, mit doppeltem Contrapunkte modulirten Thema, da, wo der Sopran in der Decime mit einem kleinen Gegensatze ausgeht, welchen bald die Flöte, bald die Violin vorzutragen hat; aber noch bemerkenswerther die Bearbeitung des bald in den tiefen Stimmen verdoppelten, bald in entgegenlaufender Bewegung der vier Stimmen gesetzten Thema. Man muss dieses Stück vor Augen haben, um die Kunst und den Fleis des Meisters ganz erwägen und beurtheilen zu können; durch blose Beschreibung, wäre es auch die umständlichste, lässt es sich den Lesern nicht klar und anschaulich machen. Der Satz schliesst sich mit dem Thema des Gloria, und so rundet und schliesst sich dieser Abschnitt auf eine ungewöhnliche, aber sehr befriedigende Weise ab. Das Credo scheint mir der kunstreichste und gelehrteste Theil dieser Missa zu seyn. Es ist in As dur geschrieben und beginnt mit einem Tema di canto fermo im Unisono aller Stimmen. S. No. 3 der musikal. Beylage. Zu seiner Zeit wird es weiter verarbeitet; wie man weiter unten sehen wird. Der Bass fängt einen Canon im Unisono an; (siehe No. 4 der musikal. Beylage;) der Tenor antwortet in der Quarte, der Sopran in der Duodecime, und endlich der Alt all' unisono. Die tiefen Stimmen haben einige doppelte Sätze, während dass der Sopran das Thema in der Octav wiederholt; die Stimmen antworten im Stretto im nämlichen Thema, welches in die Dominante übergegangen ist, und den Canto fermo in demselben Thema und mit denselben Accorden mit dem Worte credo epilogirt. Hier leitet der Compositeur einen neuen kleinen Canon in der Quinte ein, (siehe No. 5 der musikal. Beylage,) wo der Tenor in der Quinte von der Quinte antwortet, das Subject dem Alte und die Antwort des Tenors dem Sopran überlässt. Das Thema dieses Canon webt sich fort in doppelten Contrapunkten, um von neuem in die Dominante zu treten und den Canto fermo zu epilogiren. Nach einer kurzen Modulation, tritt die Harmonie in C moll, und bildet dann einen neuen, kleinen Canon, der dem Basse im Unisono bey den Worten Deum de Deo gegeben ist, die Antwort oder Auflösung aber dem Alte, so dass der Bass auf die proposta des Altes eine Gegenantwort giebt, der Tenor in der Quinte antwortet, und der Sopran einige Takte später das Nämliche thut. Der Sopran wiederholt das Thema des ersten Canon mit den Worten: Qui propter nostram salutem, wo man unter Alt und Tenor doppelte Themata in diesem Gesange entstehen sieht. Wenn dann die Harmonie in neuen Verarbeitungen des Canons geschwebt hat, kehrt sie zum Epilog des Canto fermo zurück: dies brachte bey jedem Eintritte, durch Originalität der Erfindung und Anordnung, so wie durch Erhabenheit und Majestät des Ausdrucks, eine grosse und wahrhaft andächtige Wirkung hervor. – Nach einer kurzen Harmonie schön gewählter Accorde für Violinen und Viole, tritt die Musik in F moll, um eine Imitation mit vier Stimmen anzufangen, worin der Sopran das Thema in der Quinte der angeführten Dominante mit dem nämlichen Rhythmus beginnt und die Worte: et incarnatus est, ausdrückt; der Alt antwortet im Unisono, der Tenor wiederholt den Satz des Soprans und der Bass die Antwort des Altes; dann geht die Harmonie in Des dur, um Crucifixus etiam anzustimmen, wo sich mit einer gebundenen Melodie aller Stimmen eine Harmonie von Bass-Accorden Des dur3–5_ ♭4–6, As6–♭7, B3–5, Ges3–5–8, Ces3–♭5_ ♭4–♭♭6_♮4–♭♮6_, D5–♮6–3–3, C4–6_♮3–5–8, F3–5–8 bildet: und in diesen Accorden der Modulation bewegen sich alle Singstimmen und Instrumente melodisch, Sotto voce, (bey: sepultus est;) was eine tiefe Wirkung hervorbrachte. Hierauf wird in die Dominante, As dur, übergegangen, indem das kleine Gegenthema des ersten Canons in dem, mit schönen Bewegungen des Basses u. doppelten | Contrapunkten für die Stimmen verbundenen Motive in Thätigkeit ist; wobey sich des trefflichen Meisters grosse Kenntnis der Harmonie und gewandte Kunst unverkennbar offenbaren. Nachher folgt ein Forte mit modulirter Harmonie, zum Uebergange in das Thema des Canto fermo. Auch diese Harmonie scheint mir zu ausgezeichnet, um nicht skitzirt hier mitgetheilt zu werden. Sie ist in Ces3–♭5 Canto fermo. (Siehe No. 6 der mus. Beylage.) Hierauf fällt der Bass bey den Worten: Et in spiritum sanctum, Dominum, mit dem ersten Canon ein, und mit den nämlichen Figuren beginnt der kleinere, zweyte Canon, der, anders gewendet, mit doppeltem Thema fortgeführt wird, worauf vitam venturi saeculi von allen vier Stimmen intonirt wird, die von einem tief durchdachten Contrapunkte trefflich begleitet werden. Das Stück schliesst sich mit dem Thema des Canto fermo bey dem Worte Credo, und dieses in einem Orgelpunkt (Pedale) des Basses mit der Tonica As dur, um neue Veränderung in die Harmonie zu bringen. Ich muss auch hier wiederholen: die Wirkung ist gross und tief eindringend; die Arbeit bewundernswerth. Ich gehe zum Offertorium über, welches Hr. v. W. nach einer neuen, wenigstens hier noch nicht benutzten Idee gebildet hat, und das auch darum auf die Zuhörer einen ganz eigenen Eindruck machte. Namentlich bewies Hr. v. W. hier ganz besonders, so wie ehedem Hasse und Naumann, er habe, und mit entschiedenem Glück, durch das Einfachgrosse der Harmonie Rücksicht auf die Wirkung in dieser grossen, widerhallenden Kirche zu nehmen gewusst. Alle Figuren sind edel und nahe an ihr Centrum gebunden; worauf in jener Hinsicht so sehr viel ankömmt. Die Worte des Offertorium: Gloria et honores etc. sind für fünf wesentliche Stimmen, und zwar so bearbeitet, dass das vierstimmige Chor in einfach andächtiger Melodie und in einfachen Accorden singt, während die fünfte, hohe Stimme sich in schön colorirtem Gesange hören lässt. Dieser schöne Theil ist in Es dur, und so glänzend, als die Würde der Kirche zulässt; die Harmonie weicht mit einer Modulation aus in Des dur, jedoch immer mit denselben Figuren, um stets dieselbe Wirkung bis an das Ende zu unterhalten; was auch, an Kennern und Nichtkennern, vollkommen erreicht wird. – Das in C dur für acht reale Stimmen geschriebene, ganz eigenthümlich erfundene und angeordnete Sanctus, das, wie leicht zu bemerken, selbst den ganz ungebildeten, gemeinen Mann ungewöhnlich ergriff – fängt mit einem Adagio, und, sotto voce, mit einem Accorde als Fermata der Dominante C3–5–8 an, und ist, mit dem Worte, sanctus, zwey Bässen und zwey Tenoren gegeben; den zweyten Accord, auch mit dem Worte, sanctus, A3–5–8 haben zwei Bässe, zwey Tenore und der Alt; der dritte, As3–6, ist für zwey Bässe, zwey Tenore und zwey Alte; der vierte, B♭4–6, mit dem Worte, dominus, ist für zwey Bässe, zwey Tenore, zwey Alte und einen Sopran; den fünften A3–♭5–#6, haben alle Stimmen mit dem Worte Deus, und endlich den sechsten, G4–6_3–5, C3–5–10, wo der erste Sopran im Accordo dominante einer Quintdecime, nämlich vom höchsten C bis in das tiefe, eine Suspension macht, mit dem Worte, Sabaot. Der Instrumental - Bass, dem pizzicato im Gegentempo Viertelnoten gegeben sind, schlägt folgende Töne an, womit er die Pauken unterstützt: In den ersten drey Accorden das tiefe C, im vierten G, im fünften C, und im letzten G, Cadenz C – was fast dieselbe erschütternde Wirkung thut, wie Schläge grosser Glocken zur Bezeichnung des hohen Sanctus. Ueberraschend ist dann das Forte des Eintritts der acht realen Stimmen und des ganzen Orchesters bey der Stelle: Pleni sunt coeli et terra, wo der Instrumental-Bass in unisono die Töne angiebt, welche die Blas-Instrumente im Anfange vor Anstimmung des Sanctus haben. Sie sind C - E - A - fis - G etc. und ihre Wirkung ist gross, überraschend und richtig berechnet. Nach dieser Harmonie beginnt, bey den Worten: Hosanna in Excelsis, eine Fuge blos für 4 Stimmen, | deren Thema ich hier beyfüge. (S. No. 7 der mus. Beylage.) Der Anfang ist, wie man sieht, ein zusammengezogenes Thema, mit einem Basso continuo, welcher herrlich bearbeitet und künstlich modulirt ist. Der Tenor fängt die Wendung in A moll an, der Alt antwortet in E dur, der Sopran in A moll, und so wird das Thema in beständigen Modulationen wiederholt; das Spiel der Fuge circulirt, nebst dem kleinen Gegensatz des Thema, immer in Tönen ausser der Dominante, dann fällt der Contralto mit dem Thema in Es dur in der Sexte ein, wie das Thema ist, welches der letzten Note die grosse Quarte giebt, um eine Cadenz zu bilden. Auf dieses so schön bearbeitete Thema folgt ein Orgelpunkt, worin die vier Stimmen das Thema, mit veränderter Harmonie und andern Figuren, wiederholen und das Stretto bilden. Herrlich ist die Wirkung des, den vier Stimmen in unisono gegebenen Thema in längern Noten, und der Bass, den nun die Violinen verstärken; aber noch bewundernswerther ist, dass das nämliche, den Stimmen gegebene Thema auch den Blasinstrumenten in gleicher Figur gegeben worden ist, wozu die vier Singstimmen einen andern Gesang bilden, um in diesem Forte und durch diese so originell und schön gewählte Harmonie, Hosanna in excelsis auszudrücken. Es schliesst sich mit demselben Thema von Figuren in unisono sowol für Stimmen als Instrumente bey der Stelle: in excelsis. Dies ganze Stück ist ein wahres, geistvolles Originalwerk, das die ausgezeichnetsten Lobsprüche verdient. Im Benedictus, einem Sopransolo, herrscht ein melodischer, süsser, andächtiger, im Rhythmus von 6/8, mit blosser Begleitung der Klarinetten, Hörner, Fagotte und Violoncelle gesetzter Gesang. Das Motiv desselben ist einfach, voll Anmuth, passend und wirksam: das Chor fällt mit einer einfachen und andächtigen Harmonie ein, begleitet den schönen Gesang der melodisch gesetzten fünften Stimme, und dann fällt die vorige Fuge des Hosanna in excelsis wieder ein. Das Agnus Dei fängt der Bass ganz allein in der Quinte an, mit einem ritmo largo in C moll, begleitet nur von einzelnen Violin-, Viola- und Bass-Accorden. Ein frommer, wahrhaft kirchlicher Gesang! Denselben Sologesang nimmt der Contralt in der Duodecime auf, und der Tenor vereinigt sich mit ihm in der Decime, wo nach fast beendigtem Thema die Harmonie mit dem Einfallen des Basses in As dur tritt, und unter mannigfaltigen, schön gewählten, modulirten und colorirten Melodien, führt sie zum andächtigen Dona nobilis pacem, in Es dur, mit dem Rhythmus von, worin ein, dem Violoncell, unter der Melodie der Stimmen gegebener Gang merkwürdig ist. (Siehe No. 8 der mus. Beylage.) Nicht weniger bemerkenswerth ist ein anderer Gang für den Tenor, wo der Instrumental-Bass mit einem sehr melodischen Accorde von 2–4 einfällt (Siehe No. 9 der mus. Beylage.) Hierauf bekommen die Violinen die Passage des Violoncells, eine Variation, welche die Wirkung dieses schönen Stücks um vieles verstärkt; und endlich schliesst unser trefflicher Meister mit dem nämlichen Gange in Unisono mit Violoncello und Violinen, wobey die vier Stimmen, bey dem Worte pacem, eine Armonia plagale, Es, Basso3–5–8 halten. – Noch scheint mir mit Beyfall zu erwähnen, dass Hr. v. W., ohngeachtet der Fülle von Ideen und Gründlichkeit der Ausarbeitung, sich im Ganzen so kurz zu fassen, oder vielmehr so gedrängt zusammen zu halten, gewusst hat. – Mit innigem Vergnügen habe ich diese kurzen Bemerkungen über dies treffliche Werk aufgesetzt. Das ernste und sorgfältige Nachdenken über dasselbe hat die hohe Meynung, die ich schon längst von dem Genie, und den ausgebreiteten, tiefen Kenntnissen des Meisters hatte, befestigt und vermehrt; und nur der Gedanke, ich würde durch diese Bemerkungen eine nähere Kenntnis dieses trefflichen Werks auch bey andern Künstlern, Musikkennern u. Musikfreunden befördern, hat mir den Muth gegeben sie in diese, im In- und Auslande so geschätzten, Blätter einrücken zu lassen *)*) Wir sind dem Hrn. Verf. das Geständnis schuldig, dass wenn einige Stellen dieser seiner Zergliederung seinen Sinn nicht ganz vollständig, klar und anschaulich darstellen sollten, dies mehr an uns, als an ihm liege. Die italienische Kunstsprache, die höhere nämlich und gelehrtere, ist von der deutschen so sehr verschieden, und man bekömmt in ihr, jetzt selbst in Italien, so selten etwas zu vernehmen – weil es dort den Wenigen, die ihrer und ihrer Gegenstände | noch kundig sind, an Gelegenheit gebricht, sie anzuwenden – dass wir, ganz unbekannt mit dem Werke, von dem hier gehandelt worden, und mithin ausser Stande, durch die Sache uns die Sprache zu verdeutlichen, einige, doch nur wenige Stellen mehr muthmasslich und halbklar, als sicher und anschaulich haben deutsch geben können. d. Redact..